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vermutlich bald offizieller überholspurpirat

ueberhol

Hey ho!

Mich mal wieder länger hier nicht blicken lassen. Aber das Leben… Die Zeit rennt unaufhaltsam, es ist schon der 20. Juni! Völlig wahnsinnig. Aber jetzt gerade möchte ich kurz etwas über gestern erzählen, da war ich nämlich bei der Hannoveraner Lesebühne “Überholspurpiraten“, die von Henning Chadde und Christian “Sölti” Sölter alle drei Monate in der Faust abgehalten wird. Beide sind etwas ältere Punkherrschaften, die ich, seit ich sie kenne, sehr gerne mag. Gestern saß ich in ihrer Mitte und wir lasen über verschiedene Dinge vor. Es gibt bei der Lesebühne die Kategorie “Dichterey auf Zuruf“, bei der alle drei Lesenden vom Publikum drei Worte bekommen um dann in sechs Minuten ein Gedicht daraus zu basteln. Meine Begriffe waren:

1. Gefängniszelle
2. Zurkuspferd
3. Pediküre

Folgendes Gedicht bastelte ich:

Hungrig war ich eines Tages
und am Feiertage lag es
denn die Läden war’n geschlossen
frei hatten Verkaufsgenössen
Nahrungserwerb war unmöglich
sagt ich’s anders – ja dann lög ich

Um vom Knaster abzulenken
tat ich mir was gutes denken
gab für meine Starallüre
mir ne herbe Pediküre
doch vom saubren Fuß allein
wollt der Bauch nicht glücklich sein

Ich beschloss dann für den Magen
selber mir ein Tier zu jagen
schnell fand ich, was ich begehrt
lecker stand das Zirkuspferd
welches ich mit schnellen schnitten
als es auf mich zugeritten
kam
auseinander nahm

Doch was sah ich? Babylon!
Blau blinkten die lichter schon
und wegen selbstgeschnitzer Frikadelle
sizt ich jetzt in Gefängniszelle
einsam zwar und ungewohnt
doch satt, dann hat sichs doch gelohnt.

Eine andere Kategorie der Lesebühne dort lautet: “Einmal Sezierteller, bitte!” Jeder Teilnehmer muss im Vorfeld eine Kolumne schreiben. Jene, die ich geschrieben habe, möchte ich hier veröffentlichen, da sie ziemlich viel von dem enthält, was ich sowieso in einem Homepageeintrag sagen wollte:

Einmal Sezierteller, bitte. Heute auf dem Sezierteller: Einmal Sezierteller, bitte.

Schon seit heute Morgen vierzehn dreißig versuche ich, etwas sinnvolles für die Kategoire »Einmal Sezierteller bitte« bei der Hannoverschen Lesebühne »Überholspurpiraten« verfassen. Mittlerweile ist es fünf Uhr, mein Büro, sprich: meine Schreibkneipe, hat mich vor die Tür gesetzt um Feierabend feiern zu können und ich muss dieses Dingens hier fertig haben, bevor ich ins Bett gehe, denn wenn ich um Vierzehn Uhr wieder aufstehe, muss ich direkt los und mit meiner Karre nach Hannover bügeln. In der Mail, die mir Henning Chadde, der alte High-Society-Familienvater-Punk meines Herzens dazu geschrieben hat, steht wörtlich, dass es sich um ein Thema handeln soll, dass mir »momentan am Herzen liegt, auf der Seele brennt«, mich »ankotzt«, mich »aufgeilt«. Das ganze soll ich im Kolumnenstyle schreiben.

Natürlich würde ich jetzt gern über irgendwas abhassen, dass mich aktuell hart ankotzt, Verlogenheit in der Politik, die Falschheit oder zumindest Einseitigkeit der meisten Informationen, die in Massenmedien verbreitet werden, die Absurdität des Verhaltens der FIFA und so weiter, aber dann sage ich mir »Hey Andy, du fährst nach Hannover«.

Es soll kein Honig sein, den ich den Hannoveranern um die wohlgeformten Münder schmiere, aber es ist de facto so, dass sich in Hannover mit das intelligenteste Lesungspublikum der Republik aufhält. Selbst die Poetry Slam-Audienzen dort sind noch nicht so sehr durchsetzt von spaßgeilen Dummspießstudenten, die am liebsten mit einem Brett zu einer solchen Veranstaltung kommen, welches sie sich auf die Beine legen, da sie sich bei jeder noch so kleinen Gelegenheit auf die Schenkel klopfen wollen. Und so einem Hannoveraner Publikum muss ich nicht mehr erzählen, wie viel Gelogen wird. Und die FIFA? Come on, ich lese den Text zu einem Zeitpunkt vor, an die irgendein Spiel läuft und die Leute, die nun zuhören, werden schon ihre Gründe haben, lieber zu einer Lesebühne zu gehen.

Bleibt mir bezüglich meines Hasses also eher der private Kosmos. Ich könnte schreiben über den Gesundheitszustand meiner Nerven, über den mittlerweile halbjährigen Verzicht auf Alkohol oder über mein Suchen nach Freiraum, aber all das wäre mir im Prinzip momentan zu intim, weil zu aktuell.

Über Esoterik-Unsinn könnte ich gerade schreiben, weil mir jüngst in einem Gespräch darüber, dass mich momentan der Gerichtsvollzieher wegen ein bisschen Geld ständig heimsucht, ein Typ dazu geraten hat, dass ein Amethyst, also violetter Quarz, unliebsame Menschen fernhält. Funktioniert mit dem Gerichtsvollzieher bestimmt. Wenn der Quarzklotz so groß ist, dass er die komplette Tür versperrt.

Über den Gerichtsvollzieher könnte ich auch schreiben, wenn ich mich über ihn aufregen würde, aber ich finde es sinnlos, sich über etwas aufzuregen, dass man mit ein bisschen Arbeit selbst aus der Welt schaffen könnte – immerhin sind in diesem Falle die Forderungen des Gerichtsvollziehers gerechtfertigt, immerhin schulde ich tatsächlich einem großen PVC-Konzern noch 700 Euro für Luftpolsterfolie – was mich darauf bringt, etwas darüber zu schreiben, was mich aufgeilt:

Luftpolsterschutzfolie! Für mich gibt es derzeit nichts Geileres, als mich bis zum Hals dick darin einzuwickeln und dann mit einem Fahrradhelm von einer Treppe im Amt für Bürgerangelegenheiten zu stürzen. Ursprünglich habe ich das als Protestaktion gegen zu strenge Rauchverbote in Nordrhein-Westfalens Gastronomie gemacht. Es sollte ausdrücken, dass die Menschen schon ganz gut auf sich selbst aufpassen können und man ihnen ihre Freiheit schon lassen sollte, fühlte sich aber so geil an, dass ich es widerholen musste, auch an anderen Orten, auch vollkommen nackt unter der Folie usw.

Eigentlich brauche ich es mittlerweile fast täglich. Und nur, weil ich heute den ganzen Tag damit verplempert habe, darüber nachzudenken, worüber ich in der Kolumne »Einmal Sezierteller, Bitte« schreiben soll, habe ich es heute nicht geschafft, weswegen ich mich gerade wohl am meisten über das Schreiben von Kolummnen für Lesebühnen aufrege, womit im Endeffekt diese Kolumne über das Schreiben einer Kolumne doch noch ihren Zweck erfüllt.

Im Publikum saß Tobi Kunze, ein ganz famoser Poetry Slammer und langjähriger Freund, der zu dieser Kolumne folgende Zeichnung anfertigte:

ploppmann

 

Nachdem die Lesebühne vorbei war, haben wir jedenfalls festgestellt, dass ich ganz gut in die Runde zwischen Chadde und Sölti passe. Jetzt werde ich vermutlich Stammmitglied der Lesebühne werden und damit der offizielle Nachfolger vom hartgeherzten Jan Egge Sedelies, der früher mal dort Stammmitglied war. Ob wir das so machen, entscheiden wir im Laufe der nächsten Woche, aber ich gehe sehr stark davon aus. Dann also alle drei Monate mal Hannover. Schöne Vorstellung.

Ansonsten geht bei mir jetzt die Open-Air-Season und Festival-Saison los, meiner Meinung nach: die schönste Zeit des Jahres.

Morgen starte ich in Münster, wo ich mit Sulaiman Masomi auf dem Big Rig Festival vorlesen werde. Nächste Woche dann: Dienstag Slam auf der Kieler Woche, Donnerstag irgendwo Vorlesen auf Sylt, Freitag zwischen 13 und 14 Uhr auf dem Fusion Festival (Weidendom), Samstag gibbet ein Schranzkonzert in Bochum auf dem We-Trust-Festival und so weiter und so weiter. Ach ja: Meinen letzten Drogentest musste ich in der Nacht vom Pfingstmontag auf Dienstag gegen zwei Uhr machen. Mein Auto war den Beamten aufgefallen, weil es momentan so aussieht:

auto

Bin neulich nämlich mit knapp 190 über Teile eines LKW’s auf der Autobahn gefahren. Da der LKW aus Polen kam, dauert es gerade etwas länger, bis ich Geld von der Versicherung bekomme. Mein dickärschiger, sternloser Benz wird jetzt weg gekommen, da der Schaden als wirtschaftlich total gilt. Nun muss ein neuer her. Ein Paar Festivals werde ich damit aber noch anfahren müssen. Werde versuchen, mal mein Diktiergerät während der folgenden Kontrollen einzuschalten. Glaubt mir ja sonst eh keiner, wie frech ich werden kann…

Apropos frech… Ich schließe meinen Beitrag mit diesem Video:

 

 (ich musste diesen Beitrag nach dem großen Crash rekonstruieren und weiß nicht mehr, welches Video hier war)

 

High Five,

Andy

PS: WOW! GUCK MAL DA! EIN EBER!