Liebe Bezugsgruppe!
Heute kurz zu zwei Dingen Stellung bezogen. Zunächst das deine: Jüngst meckerte ich nächtlich auf facebook darüber, von den Türstehern des Hauses 73 nicht eingelassen worden zu sein, wo ein SlamkollegInnen, mit denen ich zuvor im Ernst-Deutsch-Theater aufgetreten war, nebst Anhang auf mich warteten. Es gibt im Prinzip zwei Gründe, in Lokale nicht eingelassen zu werden: Unpassendes Äußeres oder “zu besoffen”. Den letzten Grund kann ich zeitweise verstehen. Eine Person, die sich zum Beispiel noch vor einem Vergnügungslokal in Sichtweite der TürsteherInnen übergibt und dann in deren Richtung wankt ist vielleicht nicht wirklich dazu geeignet, sich im inneren des Ladens aufzuhalten. Ich aber kann mit guten Gewissens behaupten, mein letztes Schnapsgetränk am 5. Dezember letzten Jahres zu mir genommen zu haben. Seit dem mache ich eine selbstverordnete Körper- und Kopfregenerationspause. Bleibt also nur Punkt eins: Unpassendes Äußeres. Hier ein Protokoll meiner für den Türsteher sichtbaren Kleidung in Bildform:
Zunächst muss ich sagen, dass ich mir für gewöhnlich nichts daraus mache, wenn ich irgendwo wegen Optik nicht reinkomme. Erstens kommt es selten vor, weil ich solche Lokalitäten an sich meide und wenn es, zweitens, doch mal vorkommt, dann bin ich mir sicher, in einen Club nicht zu wollen, der einen Typen wie mich nicht will – denn dann wollen die auch keine andren Typen wie mich, und mit wem soll ich mich dann unterhalten? Bei Haus73 war das aber einfach eine andere Sache. Ich bin dort mindestens fünf Mal beim Slam-The-Pony aufgetreten, hatte dort eine sehr schöne Solo-Lesung, spielte dort ein doomed-Zau-Konzert, eröffnete dort einen Rap-Slam und nicht zuletzt war das Haus73 während der Slam-Meisterschaften 2011 unser Festivalzentrum.
Zum eigentlichen Hergang: Die oben angesprochenen KollegInnen waren schon unten im Haus73, ich war noch ein bisschen in der Superbude zum Telefonieren und weil ich eigentlich vorhatte, zwei Stündchen zu schlafen um dann eventuell schon wieder nach Münster zu fahren. Manchmal brauch man halt zuhause. Da ich nun aber nicht schlafen konnte (zwei Uhr ist keine Zeit für mich) und wegen der massiven Präsenz von Polizeiwannen im erfundenen Gefahrengebiet Schanze (also ich habe 14 Polizeiwannen gezählt, die ständig Autos anhielten) auch nicht fahren wollte (kein Bock auf Polizeikontrollen), bin ich dann den anderen noch ins Haus73 gefolgt, vor dessen Haupteingangstür zwei Türständer standen. Ich grüßte mit “G’n Abend” und wollte an ihnen vorbei gehen, wurde aber zurück gehalten. Folgendes Gespräch, bei dem nur einer der Muskel-Bros sprach, während der andere grimmig grinste:
TS: Du nicht.
Ich: Wie?
TS: Ja nee, passt heute nicht (deutet auf meine Hose).
Ich: Was? (entrüstet)
TS: Ja, nee. Du passt da heute nicht rein.
Ich: Diggi, ich bin hier schon etliche Male als Künstler aufgetreten. Was das Problem?
TS: Ja, nee, heut nich. Kunst ist da oben, da hab ich nichts mit zu tun.
Perplex ging ich dann ein Stück an die Seite und klopfte gegen die Schaufensterscheibe des Ladens, hinter der in Sichtweite mein Rudel saß. Sebastian 23 sah mich und ich deutete ihm an, kurz rauszukommen. Ich sagte ihm, was Phase ist. Wir beschlossen, dass die Gang noch ihre Getränke leert und wir dann gemeinsam die Lokalität wechseln wollten. Da ich niemanden hetzen wollte, sagte ich, sie könnten sich ruhig Zeit lassen. Irgendwann kam ein freundlicher, sehr muskulöser Typ in grünem Jogginganzug mit gelben Streifen und etlichen Tätowierungen aus dem Laden und fragte mich nach Feuer. Wir quatschten kurz über dies und das. Dann sagte der Türsteher nach einer Weile (ich stand schon mindestens eine viertel Stunde vor der Tür):
TS: Den Typen (deutet auf den Jogging-Muskelmann, der sich einige Meter entfernt hat) seh ich hier jeden Tag, da weiß, dass der in Ordnung ist. Der rennt jeden Tag so rum.
Kurz fühle ich mir leicht geschmeichelt, für gefährlicher als der Muskelmann von zuvor zu gelten. Ich reagiere allerdings nicht auf das, was der Türsteher mir gesagt hat. Wieder einige Minuten später:
TS: Geh rein, Bier trinken!
Ich: Nö, jetzt hab ich auch keine Lust mehr. Was issn das für ne Art?
TS: Ey, das liegt ja nicht an mir. Mein Chef will halt nicht, dass da so Leute wie du rumlaufen (ICH MUSS BETONEN, DASS ER GENAU DAS GESAGT HAT)
Ich: Ja, is mir jetzt auch egal.
Danach kommt meine Peergroup aus dem Haus73 und wir gehen noch gemütlich in die Sofa-Bar bis diese schließt.
DIE UNSUMME
Die 73 ist nicht nur eine Hausnummer, sie steht für Unterschiede, die unter einem Dach zusammen leben. Harmonie ist schön, Vielfalt viel schöner. In der 73 inszenieren Theaterensembles neue Stücke und grölen Fußballfans für alte Vereine, hier spielen zarte Violinen und dröhnen Bass-Beats. Wir würdigen hohes Brauhandwerk und exen am Kickertisch Knollen. Wir lieben feine Backkunst und belegen derbe Stullen. Kultur oder Subkultur? Ja, bitte.
Das oben steht auf der Homepage und wirkt auf mich im Nachhinein wie Realsatire. Im Nachhinein hat sich bei facebook einer der neuen Betreiber des Haus73 gemeldet. Er schreibt, dass es für Abweisungen aufgrund von Äußerlichkeiten definitiv keine Anweisungen gäbe und er diese Form der Türwillkür selbst extrem ätzend fände. Zudem läd er mich im Haus73 mal auf ein Getränk ein um dem ganzen eine zweite Chance zu geben.
Nun steht natürlich Aussage gegen Aussage. Hat der Türsteher gelogen, als er sagte, dass sein Chef keine wie Menschen wie mich in seinem Laden wolle um sein Gesicht zu wahren oder will hat der Betreiber, der von einem durch mich ausgelöstem Shitstorm (irgendwo hörte ich Kotgewitter sei die korrekte Übersetzung, auch wenn ich AA-Tornado auch gut finde) einen Imageschaden von seinem Laden abwenden? Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Allerdings ist Hamburg auch groß genug, dass es für mich nicht unbedingt notwendig erscheint, mir ein zweites Bild zu machen, denn echte Subkultur ist in Hamburg trotz Hardcore-Gentifizierung der Schanze (witzig eigentlich, dass man Gentrifizierungsziel#1 zur Gefahrenzone erklärt) noch genügend Orte, für Jogginghosen-Style-Subkultur. Gerne würde ich noch ein Fazit ziehen, aber vielleicht sind dieser erste Teil dieses Beitrags auch Schrammen im Krönchen einer Diva, die sie zu lackieren versucht (ich benutze ja selten Smilies, aber hier erscheint mir einer sinnvoll).
Nun aber zu etwas erfreulichem. Ich erhielt Ende letzten Jahres eine sehr schöne Anfrage der Band PASCOW, in der es darum ging, einen Beitrag zur Limited Edition ihres neuen Albums “Diene der Party” zu leisten. Das ganze funktionierte so, dass die duften Saarländer Punkerjungs verschiedenen Bandbekannten jeweiels einen Titelnamen des Albums gaben und dieser dann eine Geschichte dazu schreibt, ohne den Song gehört zu haben (mein Titel war Lettre Noire). Nun gibt es ein Veröffentlichungsdatum für die Scheibe und ich kann es kaum erwarten, die Box in meinen Händen zu halten. Für das Büchlein mit den Geschichten welches dabei ist, haben unter anderen Literaturkollegen wie Dirk Bernemann, Jan Off aber auch Deutschpunkgrößen wie Bela B. ihre Feder geschwungen. Ja mann! Bela B.! Ehemaliger Beschäler von Charlotte Roche und im stehen trommelnder Powerzwegen-Vampir! Rrrrrrr…. Vorab angucken und bestellen kann man dat Dingen hier.
Wenn du Pascow nicht kennst, dann hier nochmal mein persönliches Lieblingslied der Kapelle:
So. Was sonst noch? Ach ja! Mein Literaturpreis ist noch aktuell und sucht noch BewerberInnen und ich habe eine wunderschöne Rezension zu meinem Buch “Kuck dir die Tiere an, wie glücklich die immer sind” in der Titanic bekommen, in der ich mich sehr verstanden fühle und die damit wieder einmal mehr beweist, was für fähige Leute in der dortigen Redaktion sitzen. Zu lesen gibts die in der Januar Print oder, wo du ja gerade eh im Internet bist, auch hier.
High Five,
Andy